Symposion

20.-21.04.2024 in der Universität Münster, Heisenbergstr. 11, 48149 Münster:

“Künstlerische Therapien im Alter”

Jubiläumssymposion anlässlich der Gründung des BKT am 16.04.1984.

  • Sa 10:00-13.00 Uhr: 3 Vorträge mit Diskussion:
    • 10:00-11.00 Uhr: Dr. Katja Watermann „Alt. Intelligenzgemindert. Vergessen. Kunst und Therapie im Maßregelvollzug.”
    • 11:00-12:00 Uhr: Dr. Arnold M. Raem: “Was haben die molekulare Biomedizin und die künstlerischen Therapien gemeinsam?”
    • 12:00-13:00 Uhr: Dr. Laura Bettag „Tanztherapeutische Effekte im Flamenco-Unterricht bei älteren Teilnehmerinnen ab 60 Jahren.”
  • Sa 14-16 Uhr: 3 Workshops mit Diskussion:
    • 14.00-15.30 Uhr: Univ.-Prof. Dr. Georg Franzen „Böcklins ‚Toteninsel‘“.
    • 15:45-17:00 Uhr: Univ.-Prof. Dr. Dr. Karl Hörmann „Tontherapeutische Rezeption von Kompositionen zu Böcklins ‚Toteninsel“.
    • 17:15-19.00 Uhr: Dr. Yolanda Bertolaso „Rezeptive Künstlerische Tanztherapie mit stark bewegungseingeschränkten und teilweise dementen Senioren.”
  • So 10.00-16:00 Uhr: 1 Vortrag und 3 Workshops mit Diskussion:
    • 10:00-11:30 Uhr: Univ.-Prof. Dr.Dr.Dr. Wolfgang Mastnak „Künstlerische Therapien im Alter.
    • 11.45-13.00 Uhr: Prof. Dr. Marion Tacke “Ausdrucksmöglichkeiten symbolischer Bewegung in der psychotherapeutischen Arbeit mit über 60-jährigen Patientinnen.”
    • 14.00-16:00 Uhr: Dr. Enrico Otto „Sinn und Form eines Rollenstudiums für Theaterinteressierte.“
    • 16.00-17.00 Uhr: Lothar Schön: “Digitalisierung der Musiktherapie” mit Poster.

Zusammenfassungen:

  • Univ.-Prof. Dr.Dr.Dr. Wolfgang Mastnak am 21. April 2024: „Künstlerische Therapien im Alter.

In einer Gesellschaft mit immer höheren Lebenserwartungen spielen Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltung eine zentrale Rolle. Dies wird auch seitens der Weltgesundheitsorganisation WHO mit Hinweis auf die UN-Deklaration zum gesunden Altern United Nations Decade of Healthy Ageing 2021–2030 hervorgehoben. Der Terminus „healthy aging“ muss hier allerdings differenziert verstanden werden und reicht von einer ganzheitlichen Gesunderhaltung im Rahmen natürlicher Alterungsprozesse über spezifische Prävention, etwa von Depression bei Herzinsuffizienz, bis zu spiritueller Gesundheit in der Palliativmedizin.

Die repräsentativen gerontagogischen Gesundheitsaktivitäten an der Musikhochschule in Posen (Akademia Muzyczna im. Ignacego Jana Paderewskiego w Poznaniu) beruhen auf musikalisch-tänzerischen Gruppenaktivitäten und werden zur Zeit länderübergreifend und interdisziplinär beforscht. Während es hier ganzheitlich um psychophysische Gesundheit und soziokulturelle Inklusion geht, stehen bei anderen Aktivitäten spezifische Gesundheitsaspekte im Zentrum. So finden etwa im Österreichischen Herzverband Landesverband Burgenland Musik und Tanz zur Förderung und Rehabilitation kardiovaskulärer und kardiorespiratorischer Gesundheit im Alter Einsatz.

Künstlerische Therapien sind vielerorts aus dem geriatrischen, insbesondere auch dem neurogeriatrischen Bereich, nicht mehr wegzudenken. So wird etwa an der Universitätsklinik Pitié-Salpêtrière in Paris seit Jahren Parkidanse, eine hoch spezifische tanztherapeutische Technik zur Milderung von Parkinsonsymptomatik, eingesetzt. Gegenwärtige Studien deuten darauf hin, dass es dabei zu Synchronisationen zwischen musikalischen und motorischen Rhythmusprozessoren im Gehirn kommt, welche die parkinsontypische Basalgangliendegeneration teils zu kompensieren vermögen.

Am Forschungszentrum für künstlerische Therapien der Changzhi Medical School in China – einer Einrichtung, die vermutlich in den nächsten Jahren im Bereich physiologischer, neurowissenschaftlicher und interdisziplinären Forschung zu künstlerischen Therapien in Klinik und Public Health eine führende Position einnehmen dürfte – werden Musik-Tanz-Prozesse zur Rehabilitation bei Demenz untersucht, wobei sich gegenwärtig abzeichnet, dass die Künste dynamische Netzwerk-Konnektivitäten aktivieren, die letztlich für den therapeutischen Outcome verantwortlich sind.

Künste auf gesundheitsförderndem und therapeutischem Terrain sollen allerdings nicht bloß funktional verstanden werden. Vierzig Jahre künstlerische Therapien im Sinne von Karl Hörmann haben die Unersetzbarkeit des ästhetischen und schöpferischen Moments deutlich gemacht und gleichzeitig die Notwendigkeit von psychologischer und medizinischer Forschung hervorgehoben: die Künste stellen die Intervention, die Wissenschaften liefern Erkenntnisse über künstlerisch-therapeutische Mechanismen.

Während der Vortrag Forschungen zu gesundheitsfördernden und therapeutischen Funktionen der Künste im Alter sowie bei alterstypischen Erkrankungen diskutiert, werden im Workshop einzelne Techniken vorgestellt und in Form von Selbsterfahrung erprobt.

Wolfgang Mastnak ist Professor für künstlerische Therapien am Changzhi Medical College (Volksrepublik China) und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Kultur, Künste und Medien (长治医学院 人文艺术传媒系) sowie Inhaber des Lehrstuhls für Musikpädagogik (Schulmusik) an der Hochschule für Musik und Theater München. Seine Seminare im Bereich Lehramt umfassen Musikdidaktik, Wissenschaftstheorie, Musik und Gesundheitspädagogik, Neuro-Musikpädagogik und transkulturelle Musikpädagogik. Im Doktoratsstudium betreut er vor allem Studien zur Integration von Musikpädagogik und Musiktherapie. Im Bayerischen Hochschulzentrum für China (BayCHINA) und im Bayerischen Hochschulzentrum für Mittel-, Ost- und Südosteuropa (BAYHOST) ist er der für die Musik- und Kunsthochschulen zuständige Direktor. Er hat Doktorate in Musikpädagogik & Psychologie, Medizinwissenschaften, Sportwissenschaften und Mathematik und ist Psychotherapeut und Mototherapeut. Wolfgang Mastnak ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste sowie der New York Academy of Sciences. Seine interdisziplinären Forschungen wurden international vielfach ausgezeichnet. Vor Kurzem wurde er Professor für künstlerische Therapien an der Shandong University, die zu den besten Universtäten in China gehört, und Leiter der künstlerisch-therapeutischen Forschung im angeschlossenen psychiatrischen Universitätsklinikum.

  • Dr. Enrico Otto am 21. April 2024: „Sinn und Form eines Rollenstudiums für Theaterinteressierte.

Um für Theaterinteressierte einen sinnvollen Einstieg in eine praktische Theaterarbeit zu gestalten, braucht der Interessent in einem Workshop die Kenntnis von sich selbst als potentiellen Darsteller. Über das Rollenstudium mit szenischer Arbeit an einem selbst ausgesuchten Text (10 Zeilen aus einem Theatertext) lassen sich unter Anleitung vielfältige Varianten des szenischen Ausdrucks erproben.

In einem zweiten Schritt soll aufgrund der Erfahrung mit sich selbst als Darsteller ein szenischer Bezug zu anderen Mit-Darstellern erprobt werden. So gelangt man in einfacher Form zu einer grundlegenden Ensemblearbeit.

Ein möglicher dritter Schritt wäre dann die szenische Erarbeitung einer ganzen Szene.

Der Artikel von Dr. Otto „Theater als Kommunikationsmodell“, erschienen in der MTK-Ausgabe 2023-1, S. 39-100, wird zur vorherigen Lektüre empfohlen. Sein für die folgende MTK-Ausgabe vorgesehener Beitrag “Die Funktionalität des Rollenstudiums im nicht-professionellem Theaterbereich” wird denjenigen zugeschickt, die sich zu seinem Workshop angemeldet haben.

Die Interessenten können sich jetzt schon auf den Workshop vorbereiten: Bei nicht-profesionellen Inszenierungen taucht immer die Frage nach der richtigen Besetzung der textbezogenen Rollen auf. Diese Frage lässt sich oft bei nicht ausgebildeten Spielleitern kaum richtig beantworten. Vielmehr ist die Frage der Besetzung einem wie auch immer geartetem Gefühl des Spielleiters überlassen. Daher entstehen oft Fehlbesetzungen, die sich im Laufe der Proben herausstellen und oft auch zu einem Abbruch der Inszenierungsarbeit führen. Das Rollenstudium ist in solchen Fällen, vor der eigentlichen Inszenierungsarbeit durchgeführt, eine wichtige Möglichkeit, den o.g. Vorgang zu umgehen. Da darüber hinaus Rollenstudium eine wichtige Form der Klärung der Darsteller-Persönlichkeit darstellt, zeigt sich anhand des entsprechenden Ergebnisses, wie die Bandbreite der Darstellung aussieht, nachdem festgehalten wurde, ob anhand der Körperhaltung, der Bewegung, der Gestik und Mimik, der Sprache und des Outfits der Darsteller für eine entsprechende Rolle geeignet ist. Rollenstudium braucht das eingehende Studium verschiedener Rollenstrukturen durch den angehenden Darsteller selbst, indem er aus unterschiedlichen Stücken d i e Rolle über vielleicht maximalen 10 Zeilen aussucht und zum Rollenstudium mitbringt, um daran zu arbeiten.

Dr. Otto demonstriert seinen in Jahrzehnten bewährten Ansatz des Einstudierens einer Rolle an ca. 5 Teilnehmern vor dem zuschauenden Auditorium. Diese 5 Teilnehmer sollen ca. zehn Zeilen aus einem selbst gewählten Drama mitbringen.

  • Univ.-Prof. Dr. Dr. Karl Hörmann am 20. April 2024: „Tontherapeutische Rezeption von Kompositionen zu Böcklins ‚Toteninsel“.

In der rezeptiven Musiktherapie werden von ausübenden Musikern über das psychotherapeutische Wissen hinaus erhebliche musikwissenschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen in den unterschiedlichen Interpretationen der Geheimsprache der Komponisten verlangt. Bei Senioren gilt es Zusätzliches zu beachten, besonders wenn diese über reiche Konzerterfahrungen verfügen. In Opernhäusern und Konzertsälen sind Senioren gute Besucher. Rund 14,3 Millionen Menschen in Deutschland musizieren in ihrer Freizeit oder singen in einem Chor. Im Jahr 2018 waren bundesweit insgesamt rund 15.000 Chöre im Deutschen Chorverband organisiert. Im Jahr 2021 gab es in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren rund 3,76 Millionen Personen, die etwa einmal pro Monat Konzerte oder Festivals besucht haben.

Die Zahl der Konzertbesucher im Seniorenalter kann nur geschätzt werden. Solche Patienten erwarten von der rezeptiven Musiktherapie, dass ihre Erlebnisse aufgegriffen werden und klassische Musik thematisiert wird, insbesondere solche, die die eigene Lebenssituation anspricht. Hierzu sind in diesem Workshop von Sergei Rachmaninow die Symphonische Dichtung “Die Toteninsel”, op. 29 von 1909, und von Max Reger Nr. 3 “Die Toteninsel” aus den “Vier Tondichtungen nach A. Böckling“, Op. 128 von 1913, ausgewählt.

Für jene aber, denen Orchestermusik nicht vertraut ist, sei eine CD mit vier von Band-Musikern von Farsot & Coldworld 2018 aufgenommenen Stücken zu Böcklins “Toteninsel” und “Die Toteninsel (Emptiness)” von Signalis vorgestellt.

Zu dem Gemälde von Arnold Böckling, das der Diplom-Psychologe Univ.-Prof. Dr. Georg Franzen (www.kunstpsychologie.de) aus kunstpsychologischer Sicht beleuchtet, seien diese aus den mindestens 29 Vertonungen – mehr als zu jedem anderen Bild – näher betrachtet. In diesem Workshop werden im Hinblick auf Überbrückung des gewöhnlichen Leerlaufs zwischen ergriffenem Hören und Worte finden Formulare ausgeteilt, in denen die dort gelisteten RES-Kriterien und Musikwirkungen angekreuzt und gewichtet werden sollen. Anhand dieser Musik soll analysiert werden, was sie dem dafür aufgeschlossenen alten Menschen sagen und wie sie seine multimodale Interaktion beeinflussen können.

Hierzu wird – wenn noch Zeit bleibt – ein Film zur erlebnisintensivierenden rezeptiven Musiktherapie gezeigt und werden Anregungen gegen die üblichen vermeintlich nützlichen Strategien des Singens im Alter gegeben. Damit sich aber im fortgeschrittenen Alter die viel beschworene und erfahrbare Heilkraft von Musik beim Musikhören, Singen und Musizieren entfalten kann, sind trotz aller und gerade bei Gebrechen Voraussetzungen zu beachten, die dem an Erfahrung reichen homo ludens nicht nur ein wohltuendes musikalisches Erleben, sondern jederzeit mit geringem Aufwand ein gehöriges Quantum an flow ermöglichen können.

Die Vorgehensweisen in der rezeptiven Musiktherapie und rezeptiven Kunsttherapie sind vergleichbar. Natürlich müssen diese künstlerischen Therapeuten die betreffenden Gemälde und Musik und ihre Ton-Psychologie genau kennen, d. h. die Beschaffenheit des Kunstwerks mit seinem ihm immanenten Gehalt analysieren als auch ihr Wirkungspotential und die Resonanz des Rezipienten abschätzen können. Da das Hören von Musik Zeit beansprucht, die zur Verfügung stehende Zeit aber nur für das Hören von wenigen Takten reicht, wird empfohlen, zur Vorbereitung anzuhören:

Sergej Rachmaninow: “Isle of Dead”, Op. 29
https://www.youtube.com/watch?v=6LMgvEGqvDw&t=115s mit dem Royal Concertgebouw Orchestra unter Vladimir Ashkenazy, mit Partitur
mit Klavierauszug https://youtu.be/9VtNWf-kAJM mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter Sir Andrew Davis von 1997 und mit Böcklins Gemälde.
arr. für Klavier Georgy Kirkor   https://www.youtube.com/watch?v=tbvIDhgJNlY
Orchestration Lesson: Rachmaninoff, Part 1 (youtube.com).

Max Reger: “Die Toteninsel” aus „Vier Tondichtungen für Orchester“, Op. 128
mit Partitur https://youtu.be/xwi1Um53caY, 13:15-21:15, London Philharmonic Orchestra unter Leo Botstein von 2020 ohne das Gemälde – oder mit Gemälde https://www.youtube.com/watch?v=KUkoPnSBMfc Royal Concertgebouw unter Hermann Abendroth von 1941 – oder https://youtu.be/FUtqUf_BOJo mit visueller Interpretation des Gemäldes von Neeme Järvi 2012, 8:29 min.

Roland Kaiser: „Die Toteninsel“ (1977). https://youtu.be/jekVLuK2WIs

Signalis: “Die Toteninsel (Emptiness)” https://www.youtube.com/watch?v=GKlAHqsiG1w bzw. https://www.youtube.com/watch?v=zLQ6Qv393mwm

Der Musik auf der CD „toteninsel“ von Farsot und Coldword von 2018 ähnelt der Trailer https://youtu.be/he7BK4OCr0s

Allenfalls kurz eingeblendet werden kann auch der Film des Chefarzt Dr. Rudolf Burkhardt von 1980. Siehe http://musiktherapieblog.kreativtherapien.de/http:/musiktherapieblog.kreativtherapien.de/musiktherapiepraxis-des-pastors-und-chefarzts-dr-med-rudolf-burkhardt-von-1980

  • Dr. Arnold M. Raem am 20. April 2024: “Was haben die molekulare Biomedizin und die künstlerischen Therapien gemeinsam?”

Dr. Arnold M. Raem ist Gründer der arrows biomedical Deutschland GmbH mit Sitz im Centrum für Nanotechnologie „CeNTech“ der Universität Münster. Die arrows biomedical Deutschland GmbH ist ein Servicelabor mit den Schwerpunkten im Bereich der molekularen Biomedizin / Onkologie. Dr. Arnold M. Raem hat zahlreiche, excellent bewertete Bücher herausgegeben, darunter das Handbuch für Geriatrie. Lehrbuch für Praxis und Klinik. (2005). Düsseldorf: Deutsche Krankhaus Verlagsgesellschaft, mit einem Kapitel Künstlerische Therapien in der Geriatrie, S. 859-869.    

  • Prof. Dr.rer.nat. Marion Tacke am 20. April 2024: “Ausdrucksmöglichkeiten symbolischer Bewegung in der psychotherapeutischen Arbeit mit über 60-jährigen Patientinnen.”

In diesem Workshop soll das Thema der “Bewegung” in seiner Bedeutung für eine zunehmend älter werdende Gesellschaft im Vordergrund symbolischer Durcharbeitung stehen. Der kreative Umgang mit Bewegung und Stillstand ist für viele ältere Patient:innen elementar. Im therapeutischen Setting nimmt die Anzahl derer, die auch ab 60 Jahren “Stärkungswünsche” für sich hegen, stetig zu. Gerade Frauen stehen aus unterschiedlichen Lebenslagen, wie nach einer Scheidung, dem Auszug der Kinder, Sich-Kümmern um einen pflegebedürftigen Angehörigen oder Tod des Partners sowie aus weiteren Gründen vor neuen Herausforderungen.    

Anhand verschiedener Fallvignetten werden wir uns anschauen, welchen Schwierigkeiten ausgewählte Patientinnen während ihrer Lebensspanne ausgesetzt waren, welche individuums-spezifischen Ressourcen und Bedürfnisse vorhanden sind, um die alltäglichen Belastungen als zu meisternde Herausforderungen sehen und nutzen zu können. Fortbewegung und Stillstand sind immer wieder höchst interessante Aspekte in der therapeutischen Durcharbeitung. Äußere und innere Lebensbedingungen können im Zusammenwirken förderliche oder hinderliche Wirkungen entfalten, welchen wir mit der symbolischen Umsetzung des “Sich-Bewegens” und „Schreiten-Lassens“ analysierend nachspüren wollen, die für weitere Entwicklungsprozesse zielführend sind. Es wäre wünschenswert, wenn die Teilnehmenden des Workshops eigene Abbildungen zur kreativen Erfassung von Bewegung (und Stillstand) mitbringen würden.

Prof. Dr.rer.nat. Marion Tacke, Leibniz-Universität Hannover, ist Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis.

  • Dr. Laura Bettag am 20.04.2023:Tanztherapeutische Effekte im Flamenco-Unterricht bei älteren Teilnehmerinnen ab 60 Jahren

In der Kultur des Flamencos kennen wir zahlreiche Beispiele einer lebenslangen Beschäftigung mit dem Flamencotanz. Es wird nicht als ungewöhnlich empfunden, wenn ältere Tänzerinnen im professionellen Rahmen vor Publikum auftreten und Erfolge feiern. La Chana (geb. 1946) trat im Alter von 75 Jahren von der Bühne ab, wobei sie ihr Programm im Sitzen bewältigte. Tanz kann als Überlebenselixier wirken, wie sie in ihrer Autobiografie „La Chana. Bailaora“ dokumentiert hat. Die qualitative Studie untersucht zunächst solche autobiografische Quellen auf Beschreibungen insbesondere tanztherapeutischer Effekte, die einer langjährigen Karriere bis ins höhere Alter förderlich waren. Häufig unterrichten professionelle Flamencotänzerinnen auch solange es möglich ist. Sie geben dabei neben tänzerischem Wissen allgemeine Überzeugungen und individuelle Einstellungen weiter. Die qualitative Studie will erkunden, welche physisch und psychisch als unterstützend erlebten mentalen Vorstellungen sowie deren tänzerische Umsetzungen von über 60-jährigen Schülerinnen ausgewählter Flamenco-Schulen in Deutschland wahrgenommen und beschrieben werden können.

Der Forschungsprozess wird sich im Wesentlichen auf Interviews von Experteninnen aus dem Bereich des Flamencos und die Auswertung von entsprechend entwickelten Fragebögen stützen. Über die charakteristische Stilistik des Flamencos hinaus spielt bei deren Gestaltung eine Rolle, ob kulturanthropologische Aspekte und eine „künstlerisch akzentuierte Gesundheitsphilosophie“ (Mastnak, 2022) gerade im höheren Alter in das eigene Tanzen einfließen oder nicht.

Der Beitrag versucht schließlich aus den Ergebnissen der Studie, weiterführende Anregungen zum systematischen Aufbau einer internationalisierten „Flamenco-Therapie“ abzuleiten.

Dr. Laura Bettag, MA, ist als Kulturmanagerin am Nationaltheater Mannheim und freiberuflich als dipl. Tanztherapeutin sowie im Betrieblichen Gesundheitsmanagement tätig. Sie beforscht derzeit insbesondere die therapeutischen Ressourcen des Tanzunterrichts im stilübergreifenden Vergleich.

  • Lothar Schön Digitalisierung der Musiktherapie.”  Poster.

Ein wichtiger Ansatz für die geplante digitalisierte Musiktherapie ist die soziale Teilhabe von Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen benachteiligt sind. Gleichzeitig wird all denen, die über keine instrumentalen Vorkenntnisse verfügen, eine Plattform geboten, die einen intuitiven Zugang zum Musizieren ermöglicht. Stellen Sie sich bitte eine Partitur vor, die zwar Melodienverlauf skizziert, aber vom ausführenden Musiker keine Tonhöhenauswahl verlangt. Das macht den musikalischen Prozess einfacher und entlastet unsere Kandidaten. Die Aufmerksamkeit kann also auf den Rhythmus konzentriert werden. In erster Linie denke ich an Schlaganfall- und Parkinsonpatienten. Für psychosomatische Fallbeispiele bieten sich nochmal ganz neuartige erweiterte Musizierzugänge. Die erleichterte Interaktion für Menschen mit unterschiedlicher musikalischer Vorbildung bildet eine ganz wesentliche Grundlage.

Lothar Schön ist Musiktherapeut in 95473 Creußen.

  • Dr. phil. Katja Watermann am 20. April 2024 Alt. Intelligenzgemindert. Vergessen. Kunst und Therapie im Maßregelvollzug“

Es gibt viele emotionale Ressentiments gegenüber straffällig gewordenen Menschen, die im Maßregelvollzug untergebracht sind. Die Stigmatisierung dieser Personengruppe scheint besonders hoch. „Auf der Beliebtheitsskala möglicher Einrichtungen, die eine Stadt beherbergen möchte, rangieren forensische Kliniken auf dem Niveau von Mülldeponien und veralteten Braunkohlekraftwerken“, schreibt Baumeister (Baumeister, 2019, S. 81) beispielsweise über den Bau der Maßregelvollzugsklinik in Münster Amelsbüren.

Selbst in Fachkreisen herrscht – trotz neuer Erkenntnisse – immer noch die weit verbreitete Annahme vor, dass diese Klientel mittels psychotherapeutischer Behandlungsmethoden nicht zu erreichen sei und eine Therapie keinen Erfolg habe (vgl. Neuschmelting & Seifert, 2022, S. 251 & Sappok et al., 2010, S. 827). Unabhängig vom Thema Maßregelvollzug ist zudem die Anzahl an Projekten gering, die sich gezielt mit der Schnittstelle zwischen Alter und Intelligenzminderung auseinandersetzen (vgl. Pohlmann, 2011, S. 162).

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) fordert, dass Förderkonzepte für Patient*innen mit geistiger Behinderung im Maßregelvollzug dringend „zielgruppenspezifisch an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden“ (DGPPN, 2019, S. 3) müssen. Und Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention verweist darauf, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur die gleichen Gesundheitsleistungen wie andere Menschen erhalten sollen, sondern darüber hinaus, dass ihnen Angebote gemacht werden, durch die „auch bei Kindern und älteren Menschen, weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen“ (Behindertenrechtskonvention, 2013).

Wie lässt sich Kulturarbeit mit älteren Menschen mit Intelligenzminderung im Maßregelvollzug realisieren? Kann insbesondere die Kunst in diesem speziellen Setting dazu beitragen, ein Alter(n) in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen und vielleicht sogar Lernprozesse anzustoßen? Und wenn ja, welche Gelingensbedingungen sind notwendig und welche Methoden erweisen sich als gute Praxis?

Im Vortrag werden erste Erfahrungen und Erkenntnisse zu diesem Themenkomplex präsentiert.

Teilnahmegebühr
Aus Sicherheitsgründen wird keine Kontonummer angegeben. Wer sich anmeldet, erhält sie zugeschickt: bkt@muenster.de

  • 50 € für Mitglieder
  • 80 € für Nichtmitglieder
  • 30 € für Studierende

Reichlich kostenlose Parkmöglichkeiten sind unmittelbar hinterm Gebäude vorhanden.

Günstige Übernachtungsmöglichkeiten bietet die Akademie Franz Hitze Haus (74 €), solange Zimmer frei sind. Bilder vom Veranstaltungsraum.

Die Referate werden in der Zeitschrift MTK veröffentlicht.